Martina Michaelis1, Friedrich Hofmann1,2, Ulrich Bolm-Audorff3, Annekatrin Bergmann4, Dirk Ditchen5, Rolf Ellegast5, Gine Elsner6, Joachim Grifka7, Johannes Haerting4, Matthias Jäger8, Oliver Linhardt7, Alwin Luttmann8, Matthias Nübling1, Gabriela Petereit-Haack3, Andreas Seidler6,9
1Freiburger Forschungsstelle Arbeits- und Sozialmedizin, Freiburg
2Lehrstuhl für Arbeitsphysiologie, Arbeitsmedizin und Infektionsschutz, Bergische Universität Wuppertal, Deutschland
3Landesgewerbearzt Hessen, Wiesbaden
4Institut für medizinische Epidemiologie, Biometrie und Informatik und Sektion Arbeitsmedizin, Martin-Luther- Universität Halle-Wittenberg, Deutschland
5Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Sankt Augustin
6Institut für Arbeitsmedizin, Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main, Deutschland
7Orthopädische Universitätsklinik Regensburg, Bad Abbach
8Institut für Arbeitsphysiologie an der Universität Dortmund, Deutschland
9Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Berlin
Tóm tắt
Im Rahmen der multizentrischen Fall-Kontroll-Studie „Deutsche Wirbelsäulenstudie DWS”, in der die Dosis-Wirkung-Beziehung zwischen körperlichen beruflichen Belastungen und lumbalen Erkrankungen untersucht wird, wird hier der Frage nachgegangen, in welchen Berufen bzw. Branchen erkrankte Fälle gegenüber der Normalbevölkerung überrepräsentiert sind. Die Berufsangaben von 915 Fällen mit einem klinisch diagnostizierten Bandscheibenprolaps oder einer verschmälerung in der Lendenwirbelsäule und 901 Bevölkerungskontrollen (Alter 51±12 bzw. 47±12.Jahre; 884 Männer, 932 Frauen) wurden entsprechend der Systematik des Statistischen Bundesamtes nach Branchenzugehörigkeit der Betriebe, nach Berufsabschnitten und in interessierenden Kategorien auch nach einzelnen Berufen analysiert. Die Berufsanamnese (Berufsphasen mit mindestens sechs Monaten) erfolgte durch standardisierte computergestützte Interviews. Die berufsspezifischen Arbeitsjahre einer Person wurden aufaddiert und Odds ratios (OR) für die „jemals erfolgte Exposition“ und für die „Exposition von mindestens zehn Jahren“ kalkuliert (95% Konfidenzintervall CI). Die Ergebnisse wurden nach Alter, Geschlecht und Studienzentrum standardisiert. In einigen der gegenüber Wirbelsäulenbelastungen als exponiert geltenden Branchen wurden erhöhte Risiken (OR≥1,5) gefunden; in anderen liegt die OR knapp darunter. In den Branchen Verkehr/ Nachrichtenübermittlung und im Baugewerbe (Männer, jeweils OR=1,5, CI 1,1-2,2 bzw. 1,1–2,1) sowie im Gastgewerbe (Frauen, OR=1,6, CI 1,1–2,4) sind die Ergebnisse signifikant. In der Kategorie „Berufsabschnitte“ wurden in den meisten, jedoch nicht in allen als exponiert geltenden Berufen erhöh-te Risiken nachgewiesen; dies ist im Fall der männlichen Verkehrs berufe (OR=1,5, CI 1,1–2,2) und der weiblichen Warenkauf leute (OR=1,5, CI 1,1–2,0) statistisch signifikant. Unplausibel erscheinende Ergebnisse wurden durch eine Analyse detaillierter Berufsgruppenangaben relativiert (z.B. Pflegeberufe, OR=1,3). Eine zeitlich-expositionelle Dosis-Wirkung-Beziehung (Berufausübung mindestens zehn Jahre) konnte in einigen, jedoch nicht in allen Kategorien mit ausreichender Fallzahl nachgewiesen werden. Einzig signifikant sind hier die OR bei Berufskraftfahrern (OR=1,9, CI 1,2–3,1). Die vorliegenden Ergebnisse belegen bei einer Reihe, jedoch nicht bei allen der durch frühere epidemiologische Studien als wirbelsäulenbelastend geltenden Berufe ein erhöhtes Risiko für eine bandscheibenbedingte Erkrankung der lumbalen Wirbelsäule. Die wenig plausible Höhe der Odds ratios in mehreren heterogen besetzten Berufsabschnittskategorien lässt darauf schließen, dass eine Risikoabschätzung auf der Basis von Berufsangaben grundsätzlich möglichst spezifisch erfolgen sollte; sinnvoller erscheint eine Abschätzung auf der Basis von Tätigkeiten und Arbeitshaltungen.