Treue, Liebe, Eros Benjamins Lebenswissenschaft

Sigrid Weigel1
1Berlin, Deutschland

Tóm tắt

Der Artikel untersucht Benjamins Bezeichnung der ›Treue‹ als Logos des göttlichen Moments der Ehe in Goethes Wahlverwandtschaften vor dem Hintergrund seiner Kritik an dem zweideutigen Gesetzesbegriff in Kants Ableitung menschlicher Gesetze aus Naturgesetzen und der Auseinandersetzung mit der Dialektik von Lebens- und Todestrieb in Freuds Jenseits des Lustprinzips. Benjamins Begründungen der Ehe aus der Entscheidung zur »übernatürlichen Dauer« der Liebe sowie der »natürlichen Unvollkommenheit« der Liebe aus dem Eros werden in den Kontext seines Lebensbegriffs gestellt: dessen Bezugnahme auf zwei Sphären, das natürliche und das »übernatürliche« Leben.

Tài liệu tham khảo

Walter Benjamin, Gesammelte Schriften, hrsg. Rolf Tiedemann, Hermann Schweppenhäuser, Frankfurt a.M. 1974ff. Im Folgenden zitiert nach dieser Ausgabe mit Band- und Seitenangabe im Text. Immanuel Kant, Schriften zur Ethik und Religionsphilosophie, Bd. IV der Werke in sechs Bänden, hrsg. Wilhelm Weischedel, Darmstadt 1983, 389–390. So die Bestimmung von Roland Barthes’ Mythologies (1957), Roland Barthes, Mythen des Alltags, Frankfurt a. M. 1982. Sigmund Freud, jenseits des Lustprinzips, in: ders., Psychologie des Unbewußten (Studienausgabe Bd. III), hrsg. Alexander Mitscherlich u.a., Frankfurt a.M. 1975, 213–292, hier: 248, 250. Freud nennt explizit drei Arbeiten von Weismann: Über die Dauer des Lebens( 1882), Über Tod und Leben (1884), Das Keimplasma (1892). -Vgl. dazu Sigrid Weigel, »Jenseits des Todestriebs. Sigmund Freuds Lebenswissenschaft an der Schwelle von Natur- und Kulturwissenschaft«, in: Kathrin Solhdju, Ulrike Vedder (Hrsg.), Das Leben vom Tode her (im Druck). Wobei er ein »der« einfügt, denn bei Freud heißt es: »das Bewußtsein entstehe an Stelle der Erinnerungsspur«. Freud (Anm. 8), 235. Vgl. dazu ausführlicher das 2. Kapitel in Sigrid Weigel, Entstellte Ähnlichkeit. Walter Benjamins theoretische Schreibweise, Frankfurt a.M. 1997, 27–51. Zu Freuds Stellung in der Geschichte des Sublimierungskonzepts vgl. Eckart Goebel, Jenseits des Unbehagens. »Sublimierung« von Goethe bis Lacan, Bielefeld 2009. Hannah Arendt, Vita Activa oder Vom tätigen Leben [1958], München 1981, 239. Walter Benjamin, Johann Jakob Bachofen, in: Walter Benjamin. Text und Kritik H. 31/32, München 1970, 36. 596 Sigrid Weigel der Kreativität und des Erlebnisses in der Lebensphilosophie hat Benjamin stets die ›Erfahrung‹ betont und damit jene Über lief er ungs- und Traditionszusammenhänge, durch die das Erlebte erst seine Bedeutung erhält. Die Einsicht, welche wichtige Rolle darin das Nachleben mythischer, kultischer und religiöser Vorstellungen spielt, teilt Benjamin mit anderen Kulturwissenschaftlern. Erst jenseits der Opposition von naturund geisteswissenschaftlichen Begriffen, von naturgesetzlichen und metaphysischen Bestimmungen des Lebens gewinnt Benjamin seine Begriffe menschlicher Kultur. Insofern derzeit — im Fahrwasser der jüngeren neuround biowissenschaftlichen Forschung — hingegen eine umfassende Rekonzeptualisierung menschlichen Verhaltens in Parametern von Naturgesetzen zu verzeichnen ist, ist Benjamins Arbeit am Begriff des ›Lebens‹ für eine kulturwissenschaftliche Lebenswissenschaft vielleicht so unverzichtbar wie nie zuvor.