Risikoanalyse in der Chirurgie
Tóm tắt
Die Risikoabschätzung sollte eine entscheidende Voraussetzung für die Wahl der richtigen chirurgischen Therapie, aber eben auch bei der Beurteilung der Qualität chirurgischer Maßnahmen sein. Mit „Risiko“ wird häufig eine falsche Vorstellung vermittelt. Zu häufig wird minutiöses Aufzählen von negativen Ereignissen (Komplikationen) mit Risiko verwechselt. Risiko ist die Wahrscheinlichkeit, daß etwas Negatives passiert. Fakt ist auch, daß Risiko immer negativ belegt ist. Eine weitere Tatsache ist, daß Risiko in der Medizin meist oder immer noch – nur – die Wahrscheinlichkeit von Morbidität und Letalität beschreibt. Dies ist zwar richtig und wichtig, aber gleichzeitig zu wenig! Risiko muß heute auch die Wahrscheinlichkeiten über das Nichteintreten einer Therapieoption, oder sogar das Risiko einer Pervertierung der Therapieabsicht einschließen! Das Ermitteln eines Risikofaktors ist methodisch aufwendig. Es ist ein typisches Beispiel klinischer Forschung. Schrittweises Vorgehen ist möglicherweise hilfreich: Schritt 1 verlangt, daß man sich über die Umstände, die Tatsachen, die Variablen, wie negative Ereignisse, Kooperationsfähigkeit, Letalität, Schwere der Erkrankung, soziales Umfeld etc. klar wird. Schritt 2 bedeutet das Sammeln, das Erarbeiten dieser klinisch relevant erscheinenden Umstände. Alle Informationsquellen sind gut, besser ist eine prospektive Datensammlung. Schritt 3 definiert die jeweilige chirurgische Situation und dazu die unterschiedlichsten Umstände, die als Risikofaktoren möglicherweise in Frage kommen. Es handelt sich hier um die Hypothesenbildung. In Schritt 4 wird dann im klinischen Experiment unter Zuhilfenahme der derzeit bekannten mathematischen Modelle, aber auch der Erfahrung, der Intuition des Chirurgen die Wahrscheinlichkeit ermittelt, mit der ein spezieller Umstand oder eine Gruppe von Umständen ein klinisch relevanter Risikofaktor ist. Im Schritt 5 kann man dann für die jeweilige klinische Situation eine Ordnung entsprechend der Bedeutung der Risikofaktoren vornehmen (Ranking). Schritt 6 ist für das Umgehen mit dem bekannten Risikofaktor vorgesehen. Wie kann ich mit dem Risikofaktor im Entscheidungsprozeß bei der chirurgischen Intervention umgehen? Schritt 7 ist der alles entscheidende Schritt. Er soll die zweifelsfreie Information liefern, ob die Risikoanalyse in toto einen Nutzen in der Chirurgie, – noch entscheidender – für den einzelnen Patienten zu einer bestimmten Zeit bringt. Es gibt Evidenz (externe), daß die richtige Handhabung der Risikoanalyse deutliche Wirkung bzw. einen Nutzen in der Chirurgie erbringt, aber nach wie vor ihre Grenzen hat. Die Risikoanalyse hat mit den derzeit angewandten Methoden ihre Vorteile für Gruppenanalysen, aber ihre absolute Begrenzung beim einzelnen Kranken. Dies gilt im besonderen für die hierfür ermittelten und benutzten Scores. Mit der Risikoanalyse lassen sich die entscheidenden Risikofaktoren ermitteln, erkennen und nach ihrer unterschiedlichen Wirkung ordnen. Ob diese Tatsache in der Chirurgie oder gar beim individuellen Patienten von Nutzen ist, ist noch nicht bewiesen. Es gibt Evidenz, daß der Qualitätsvergleich chirurgischer Versorgung einzelner Kliniken ohne Risikoanalyse geradezu naiv ist. Hier hat die Risikoanalyse bisher ihre größte Aufgabe! Die Risikoanalyse ist derzeit unfähig, das Risiko einer chirurgischen Therapie beim individuellen Kranken mit ausreichender Sicherheit vorauszusagen. Mit etwa 70 % Sicherheit ist sie bei dieser entscheidenden Frage bisher genau so gut, oder genau so schlecht, wie der erfahrene Chirurg. Schlußfolgerung: Die Risikoanalyse hat den Beweis für ihre Wirksamkeit noch nicht erbracht. Die Methode ist aufwendig und bis jetzt nur für Gruppenbeurteilungen erfolgreich. Der Vergleich chirurgischer Leistungen der unterschiedlichen Krankenanstalten ist ohne Risikoanalyse naiv. Hier hat sie ihre nachgewiesene Bedeutung. Am individuellen Patienten haben die bisher geübten Risikoanalysen keine Chance. Erkennbar ist, daß der Chirurg ein Risikofaktor ist, aber in dem komplexen System der unterschiedlichen Umstände und Wirkungen einer chirurgischen Therapie ist er nur ein Faktor, wenn auch ein wichtiger. Risikoanalyse ist ein Aspekt klinischer Forschung und verlangt nach mehr Beachtung.