Die Metapher — “Kern und Wesen aller Poesie” oder “Schminke und Parfüm”? Zur Problematisierung der bildlichen Rede in der modernen Literatur

Gottfried Willems1
1Mainz, Deutschland

Tóm tắt

Während die literarische Avantgarde die Metapher um ihres Anthropomorphismus willen immer wieder verworfen hat, hat die gemäßigte Moderne vielfach geradezu das Wesen der Poesie in sie gesetzt, freilich nicht ohne sie zuvor ihres traditionellen Anthropomorphismus entkleidet zu haben. Als Ursache gibt sich hier wie dort die Forderung der Lebensunmittelbarkeit (Intuitionismus) zu erkennen.

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Der Begriff der Metapher wird in eben dem Sinne verwendet, in dem er in der referierten Diskussion im Gebrauch ist. Er meint hier die bildliche Rede überhaupt, verstanden als uneigentliche, übertragene, figürliche Rede, unabhängig von der sprachlichen Form, in der sie sich realisieren kann. Mit Blick auf die sprachwissenschaftliche und sprachphilosophische Diskussion, wie sie etwa von Gerhard Kurz, Metapher, Allegorie, Symbol (1982), zusammengefaßt und von Anselm Haverkamp, Theorie der Metapher (1983), dokumentiert wird, sei hinzugefügt: die Metapher, um die es hier geht, ist immer die als Metapher gemeinte und aufzufassende Metapher, die bildliche Rede, bei der der übertragungsvorgang, das Moment des Uneigentlichen als solches bewußt bleibt. Damit sind z.B. Mythen und verblaßte Metaphern ausgeschieden. Auch ist damit gesagt, daß Unterscheidungen wie die zwischen konventionalisiert und akzidentiell, kühn und nicht kühn, stereotyp und nicht stereotyp im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung sind. Friedrich Theodor Vischer, ästhetik, 3. Teil, 5. Heft (1857), S. 1226. Walther Killy, Wandlungen des lyrischen Bildes, 5. Aufl. (1967), S. 5. Walter Höllerer, “Vorbemerkung,” Theorie der modernen Lyrik (1965), S. 8. Zitiert nach Karl Krolow, “Das Problem des langen und kurzen Gedichts — heute,” Was alles hat Platz in einem Gedicht? Aufsätze zur deutschen Lyrik seit 1965, hrsg. Hans Bender u. Michael Krüger (1977), S. 10–28, hier S. 21. Hans Magnus Enzensberger, “Nachwort,” William Carlos Williams, Die Worte, die Worte, die Worte (1962), S. 174–204, hier S. 186. Heinz Gappmayr, “Die Poesie des Konkreten,” Theoretische Positionen zur Konkreten Poesie, hrsg. Thomas Kopfermann (1974), S. 3–7, hier S. 6. Nicolas Born, Klappentext (vom Autor selbst verfaßt), Marktlage (1967). Günter Grass, Gesammelte Gedichte (1971), S. 165. Günter Eich, Anlässe und Steingärten (1966), S. 32. Hugo v. Hofmannsthal, “Bildlicher Ausdruck,” Reden und Aufsätze, I, 1891–1913, hrsg. Bernd Schoeller (1979), S. 234. Gottfried Benn, “Der Geburtstag,” Prosa, hrsg. Dieter Wellershoff, in Gesammelte Werke (1968), V, 1220–1232, hier 1221. Dieter Wellershoff, “Wiederherstellung der Fremdheit,” Positionen des Erzählens, hrsg. Heinz Ludwig Arnold und Theo Buck (1976), S. 188–195, hier S. 190. Alain Robbe-Grillet, Argumente für einen neuen Roman (1965), S. 118. Charles Baudelaire, “Correspondances,” in Œuvres complètes, hrsg. Claude Pichois (1975), 1, 11. Den Begriff des Intuitionismus entfaltet Heinrich Rickert, Die Philosophie des Lebens, 2. Aufl. (1922), S. 12, S. 35 u.ö. Vgl. dazu auch Hans Christoph Buch, Ut pictura poesis: Die Beschreibungsliteratur und ihre Kritiker von Lessing bis Lukács (1972) Jürgen Manthey, Wenn Blicke zeugen könnten: Eine psychohistorische Studie über das Sehen in Literatur und Philosophie (1983). Hugo Friedrich, Die Struktur der modernen Lyrik, 9. Aufl. (1966), S. 84ff., S. 206ff. Man darf nicht vergessen, daß Rimbauds “Marine” Teil seiner “Illuminations” ist: Arthur Rimbaud, Sämtliche Diebtungen, Französisch und Deutsch (1963), S. 182. Robert Musil, Rede zur Rilke-Feier in Berlin am 16. Januar 1927, Gesammelte Werke, hrsg. Adolf Frisé (1978), VIII, 1229–1242, hier 1237L Friedrich Nietzsche, “über Wahrheit und Lüge im außermoralischen Sinne,” Sämtliche Werke: Kritische Studienausgabe, hrsg. Giorgio Colli und Mazzino Montinari (1980), I, 873–890. — Zu bedenken ist freilich, daß Nietzsche hier jedwede darstellende Leistung, also auch theoretische, begriffliche Erkenntnis, als “Metapher, Metonymie, Anthropomorphismus” bestimmt (S. 880), etwa in dem Sinne, den E. Cassirer dann in seiner Philosophie der symbolischen Formen entfaltet hat. Freilich hebt er die metaphernschaffende Tätigkeit des Künstlers dann doch noch davon ab, aber nur, weil der Künstler als der offen mit Anthropomorphismen Täuschende der eigentlich Wahrhafte sein soll. Robert Musil, Der Mann ohne Eigenschaften, hrsg. Adolf Frisé, 5 Bde. (1978), II, 582. Hugo v. Hofmannsthal, “Das Gespräch über Gedichte,” in Erzählungen, erfundene Gespräche und Briefe, Reisen, hrsg. Bernd Schoeller (1979), S. 495–509, hier S. 498.